Baureihe 729 der Österreichischen Bundesbahn 1. Baujahr: 1931
Die Bundesbahnen in Österreich (BBÖ) entschliessen sich trotz der verheerenden Wirtschaftslage im Jahre 1929 eine Nachfolgetype der Reihe 629 (DRG-Baureihe 77.2) konstruieren zu lassen, da die 629 für schwerere Schnellzüge nicht leistungsfähig genug ist. In Zusammenarbeit mit der Konstruktionsabteilung der BBÖ unter der Leitung von Oberbaurat Lehner und den Ingenieuren der Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf (WLF) entsteht so die 2’C2’-Tenderlokomotive der Reihe 729. Aus Kostengründen werden Baugruppen von bewährten Lokomotiven übernommen, so der Kessel von der Reihe 209 (DRG-Baureihe 38.41), Teile des Fahrwerkes, wie vorderes Drehgestell, Radsätze, Antriebs- und Steuerungsgestänge, stammen von der 629. Die Ausführung erfolgt als Zweizylinder-Heißdampflokomotive mit Lentz-Ventilsteuerung und Heinl-Mischvorwärmer, der auf der Heizerseite in einer Nische vor dem Führerhaus untergebracht ist. Im hinteren linken Wasserkasten befindet sich die Kondensatoranlage und der Warmwasserspeicher. Besonderer Wert wird auf grosse Wasservorräte (16,8 m³) gelegt, was trapezförmig fast über die gesamte Loklänge verlaufende Wasserbehälter zur Folge hat, auch der Tender fällt relativ gross aus, er fasst 4,5 Tonnen Kohle, was zu einer Laufleistung von 200 km bei normaler Anstrengung ausreicht. Die symmetrische Radsatzanordnung 2’C2’ wird von der preußischen T18 (Baureihe 78.0-5) übernommen und verleiht auch dieser Maschine hervorragende Laufeigenschaften. Besonders die kegelförmig zulaufende Rauchkammertür und die gemeinsame Domverkleidung der Kesselaufbauten verleiht der Lokomotive ein elegantes Aussehen. Die ersten sechs Lokomotiven werden 1931 in Dienst gestellt, ihnen folgen im Jahr darauf vier weitere. Aufgrund des Verkehrsrückgangs in den Relationen nach Ungarn und der Tschechoslowakei werden die Maschinen bald bei dem Heizhaus Linz/Donau zusammengefasst, das sie zwischen Wien und Salzburg bzw. Passau vor Schnellzügen einsetzt, denn bei Versuchsfahrten werden 110 km/h spielend erreicht. Beachtlich ist der Einsatz vor dem Arlberg-Express zwischen Salzburg und Wien (313 km), der in gut 4½ Stunden im Langlauf befördert wird, allerdings mit Heizerwechsel in Linz. 1936 werden noch einmal sechs Maschinen bestellt, die Nicholson-Wasserkammern in der Feuerbüchse erhalten, um die Dampferzeugung zu intensivieren. Friedmann-Achslager sorgen dafür, dass die Höchstgeschwindigkeit bei den 729.11-16 von 95 auf 105 km/h heraufgesetzt werden kann, bei Versuchsfahrten erreichen diese gar 134 km/h Spitze. Unter der Regie der Deutschen Reichsbahn dürfen die bereits 1937 bestellten zehn weiteren Lokomotiven fertiggebaut werden, sie kommen als 78 657-666 zur Auslieferung, werden aber bald in 78 617-626 umgezeichnet. Die vorher gelieferten werden zu 78 601-616 bei Übernahme der BBÖ durch die DRG. Allerdings sind die Messfahrten, die das Lokversuchsamt Grunewald mit 78 661 durchführt, nicht so gut, so dass alle Maschinen im angestammten Gebiet bleiben und den Krieg ohne Verluste überstehen.
Einsatz und Ausmusterung Nach dem Kriege sind die Lokomotiven in Wien West und Linz zu finden, nach Elektrifizierung der Donaustrecke kommen sie nach Wien FJB, Bischofshofen, Wels und Knittelfeld. Auch hier verdrängt sie die fortschreitende Elektrifizierung, so dass sie ab 1958 in Graz und Amstetten Verwendung im Personen- und Eilzugdienst finden. Die letzten drei kommen Ende der sechziger Jahre nach Wien Nord, wo 78.609 (die ÖBB behalten die DR-Nummern bei und fügen statt der Lücke einen Punkt ein) bis zum 12. September 1973 als letzte eingesetzt wird. Zur weiteren Verbesserung erhalten etliche Lokomotiven einen Giesl-Ejektor, so auch 78.618, die von der Österreichische Gesellschaft für Eisenbahngeschichte seit 1987 betriebsfähig erhalten wird. 78.603 ist für das Wiener Eisenbahnmuseum hinterstellt.
Konstruktionsmerkmale Kessel: Genieteter Kessel, Feuerbüchse und Stehbolzen aus Stahl, 4900 mm Abstand zwischen den Rohrwänden, Rauchrohrüberhitzer Bauart Schmidt, Sicherheitsventile der Bauart Pop-Coale, Heinl-Mischvorwärmeranlage, ab 1951 etliche mit Giesl-Ejektor. Rahmen: Geschraubter mit Winkeleisen verstärkter Blechrahmen, Wasserkästen zur besseren Streckensicht niedrig angelegt und bis zur Vorderseite der Zylinder reichend. Laufwerk: Alle drei Kuppelradsätze fest im Rahmen gelagert, Drehgestelle vorn und hinten mit je 55 mm seitlichem Ausschlag. Ab 78.611 (729.11) Friedmann-Achslager mit automatischer Schmierung. Triebwerk: Zweizylinder-Heißdampftriebwerk, waagerechte Zylinder, Antrieb auf dem 2. Kuppelradsatz. Steuerung: Aussenliegende Heusinger-Steuerung mit Lentz-Ventilsteuerung, zweischienige Kreuzkopfführung. Bremse: Vakuumbremse, Westinghouse-Bremse mit Zusatzbremse. Sondereinrichtungen: Elektrische Beleuchtung durch Dampf-Turbogenerator auf der linken Seite, Dampfheizungseinrichtung vorn und hinten für die Zugheizung, jeweils in Fahrtrichtung wird der 1. und 2. Kuppelradsatz gesandet.
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